Es ist der erste Advent, ein ganz besonderer Tag, erzählt mir Martin, an
dem gesungen und die geistliche, besondere Weihnachtszeit mit einem
Gottesdienst eingeleitet wird. Eigentlich darf ich während der Gebete
nicht fotografieren, die einzige Voraussetzung, dass ich überhaupt die Ge-
meinde besuchen kann, doch an diesem Abend konnte ich die Anwesen-
den überzeugen. Diese sind mir mittlerweile vertrauter geworden, Ängste
oder Vorurteile haben sich nicht bestätigt, sind eher abgebaut worden und
es entstehen Begegnungen, die sich mit einer gegenseitigen Annäherung
beschreiben lassen. Die Gemeinde ist wie eine kleine, wohlige Blase, in die
man eintritt, in der man einfach sein kann und in der sich Einflüsse von
außen kaum bemerkbar machen. Ein runder Platz vor dem alten Gutshof
zeichnet den ersten Eindruck des Geländes, eine Hängematte hängt im
Baum und alte Eichen stehen drumherum verteilt. An der linken Seite ist
die Werkstatt, eine alte Ente steht davor. Diese ist jedoch von einem Mi-
tarbeiter, da die Menschen der Gemeinde keine eigenen Autos mehr be-
sitzen, lediglich die gemeinschaftlichen Fahrzeuge nutzen. Der Fahrten
kalender ist ein undurchsichtliches Konstrukt, über vier Bögen reihen
sich die Anfragen und festen Termine, um die Kinder zur Schule oder
zum Arzt zu bringen, das gespendete Brot vom Bäcker abzuholen. Es ist
dunkel in der großen Halle, dem Treppenhaus des Hauptgebäudes. Ein
Adventskranz hängt von der Decke herab. Die Gemeinde sitzt verteilt auf
der oberen Etage oder unten im Hauptraum. Es sind vereinzelt Kerzen
und kleine Lichter installiert. Martin beginnt mit einer Andacht, konz-
entriert lauschen die Anwesenden seinen Worten, es handelt vom Geist
der Weihnacht, Gutmütigkeit und dem Segen Gottes, dass die Gemeinde
zusammen die Weihnachtszeit einläuten kann. Dann werden alle Lichter
gelöscht, Stille zieht in die alten Gemäuer und es beginnt eine Art Metall-
trommel zu erklingen. Ein Rascheln mischt sich in diesen Ton und die
Kinder der Gemeinde beginnen Kerzen zu entzünden, diese werden durch
die Menge gereicht und der Raum erstrahlt im roten Schimmer. Ein Raun-
en geht durch die Menschen, als die erste Kerze des Adventskranzes
entzündet wird.

Ou-Tòpos – Teil 3. Wulfshagener Hütten / Schleswig Holstein
2018-2019 von Timo Knorr